Was ist Panfrikanismus und wozu soll ich das wissen?

Yeke Yeke Zeitgeschichte: Stichwort „Panafrikanismus“

-          Intro -

Nein, das ist kein Artikel über Geschichte. Am 14.01.2014 (magisches Datum) soll der nächste weltweite pan-afrikanische Kongress stattfinden.

http://www.8thpac.com/congress-features.html

Na, wenn das klappt, berichten wir in Yeke Yeke am Sonntag, den 13.01.2014, wann der letzte war, wer die Teilnehmer waren und welche Musik für sie damals aktuell war. Vorab so viel: es war 1974, unter den Teilnehmern war der damalige tansanische Präsident Julius Nyerere. Und zur aktuellen Musik gehörten Rumba, Benga, Psychedelic, Funk und bereits das ein oder andere Stück Disco Soul. Aber das waren keine Musik-Kongresse ;-)

 

-          1919 bis 1970        -

Die „Pan-Afrikanischen Kongresse“ waren nach dem 1. Weltkrieg Teil der durch-kolonialisierten Welt. Eine Gegenbewegung gegen die Verteilung von Territorien, wie sie im Versailler Vertrag durch die Welt-Großmächte festgeschrieben war. Deutschland beispielsweise hatte seine kolonialen Gebiete verloren. Hierzu gehörte das heutige Togo (damals als Deutsch-Togo an Frankreich übertragen).

Die „Gegenbewegung“ hatte bereits eine Menge mit dem späteren Flügel der Bürgerrechts-Bewegung in den USA zu tun, die als „Black Power Movement“ dank Malcolm X, Martin Luther King oder Stokely Carmichael weltweite Medien-Aufmerksamkeit erfuhr.

Diese Bürgerrechts-Aktivisten, die sich in weltweiten Kongressen trafen, waren alle „black“. Die „Pan-Afrikanischen Kongresse“ wurden 7 Mal abgehalten – in den Jahren 1919, 1921, 1923, 1927 und 1945, dann lange nicht, wieder 1974 und schließlich 1995 – dann waren auch die letzten Länder „selbstbestimmt“, nämlich Eritrea, Namibia und Südafrika.

Die Kongresse setzten sich nach einem Delegierten-System zusammen. Sie versammelten Vertreter möglichst vieler Länder. Beim ersten Mal griffen sie zunächst auf, was ein Politiker in Regierungsverantwortung, nämlich US-Präsident Woodrow Wilson, jüngst gefordert hatte: Selbstbestimmungsrecht.

Für die Bevölkerung vieler kolonialisierter Staaten hieß das aber: In den Staaten lebten mehrere (!) einzelne Bevölkerungsgruppen, von denen vielleicht jede einzelne das Selbstbestimmungsrecht auf eigene Staatszuordnung wahrnehmen wollte. Beispiel Kenia: Hier lebten als wichtige Interessengruppen die Kikuyu als größte Ethnie, die Luo als zweitgrößte Sprach- und Kultur-Einheit, die weißen Siedler, die überwiegend aus England kamen. Sollte Kenia unabhängig werden, mit den vom United Kingdom festgelegten Grenzen? Sollte es in mehrere Teilstaaten zerfallen? Sollte es beim UK bleiben? Oder sich mit Tansania zu einem größeren neuen Staat transformieren?

Die Einheit mehrerer Gruppen war zu Zeiten des Kolonial-Regimes in manchen Ländern vor dem Erreichen der Unabhängigkeit teils mehr gegeben als unmittelbar hinterher. Das Beispiel Kenia ist Thema der Yeke Yeke-Sendung von Radio Z am Sonntag, 08.12.2013, zwischen 16.00 und 17.20 Uhr.

Zurück zum „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ – dieses ureigene Ziel dieser Kongresse vermischte sich 1927 mit teils anti-kapitalistischen Redebeiträgen einiger Teilnehmer. Ähnlich wie die NSDAP über die Zeitung „Der Stürmer“ in Deutschland Hass gegen Juden mit einem Hass auf Besserverdienende schüren konnte, war es weltweit einfach geworden, gegen Kapitalbesitzer Stellung zu beziehen. Dass es überhaupt Privatvermögen als Recht in den Verfassungen vieler Staaten gab, störte erkennbar einzelne Teilnehmer auch des Pan-Afrikanischen Kongresses von 1927.

Frage: Gab es bedeutende geschichtliche Phasen von der Antike bis zur Neuzeit, in denen es kein Recht auf Privatvermögen gab? Etwa bei den Römern zu Zeiten des Römischen Reiches? Im Mittelalter? Vielleicht kann man es als historische Ausnahme sehen, dass Enteignungen im großen Stil das Sowjetreich prägten, oder dass Prominente wie Bob Marley jegliches Privateigentum (was ja nochmal was anderes ist als „Vermögen“) öffentlich infrage stellten, wie er es in einem Interview mit dem französischen Musikblatt „Les inrockuptibles“ 1980 tat. Enteignung ist auch heute noch ein probates Mittel, wenn einem gar nichts mehr einfällt, siehe den Versuch der Regierung Simbabwes zwischen 1999 und 2003, weißhäutige Grundbesitzer im Land mit Hilfe von Verwüstungen ihres Landes zur Aufgabe ihres Eigentums zu drängen.

Nach 1945 war Anti-Kapitalismus erst einmal nicht mehr das Thema des dann stattfindenden 5. der insgesamt fünf „Pan-Afrikanischen Kongresse“. Die Überprüfung der Folgen des Faschismus stand auf der Tagesordnung. Und hierzu gehörte, den Rassismus am Beispiel der Regimes von Hitler und Mussolini zu prüfen: War rassische Diskriminierung als Staatsziel lebensgefährlich?

Wie befreit man sich von dem faschistischen Gedankengut, das noch immer die Welt prägte, sich in Worten wie „Nigger“, Gesetzen zur Rassentrennung in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln niederschlug? Und in der Tatsache, dass alle Kolonial-„Herren“-Länder weiße Bevölkerungsmehrheiten hatten, alle kolonialisierten Länder braun- bis dunkelhäutige Mehrheiten, von der Karibik über afrikanische Länder bis zu Indien.

Was lernen wir aus der Geschichte? Beispiel Afrika: Mit Ausnahmen Äthiopiens, Liberias, Ägyptens waren alle Gebiete Afrikas 1945 in kolonialer Hand. Sogar das historisch stets unabhängig gebliebene Äthiopien musste sich 1935 bis 1941 dem Eroberer Italien unterordnen – die einzige Niederlage in der Geschichte. Eroberungen, ja: sie sind offenbar noch nicht so lange her. Der Faschismus mit seiner starken Verwaltung und seinem starken Militär war also auch ein sehr machtvoller Gegner gegen die Idee vom Selbstbestimmungsrecht der Nationen. Und da der Faschismus Menschen in KZs umbrachte, wäre die verkürzte Kausal-Kette all dieser Informationen: Ja, wo Rassismus regiert (und in faschistischen Regimes ist mit Rassismus meist zu rechnen, denn radikale Regimes brauchen Sündenböcke), dort ist es für einen Teil der Bevölkerung lebensgefährlich, und – siehe Simbabwe 2003: dieser Teil können auch mal die Weißhäutigen sein.

 

-          1970 bis heute      -

Etwas schräg, würde ich sagen, jedoch meist sogar nachvollziehbar, befasst sich das dreiteilige Sachbuch-Kampfschrift-Gemisch „Black Athena: The Afroasiatic Roots of Classical Civilization“ von Martin Bernal (1987, 1991, 2006) mit einer Umkehrung der Machtverhältnisse. Demnach wird Athen als Ursprung der Demokratie infrage gestellt, dieser Ursprungsort in Kairo erkannt, und damit als Teil Afrikas explizit benannt. Entsprechend muss man das so sehen: das antike Griechenland hat das Erfolgsrezept des ägyptischen Königreiches kopiert, somit ist Europa ein schlechter Exporteur seiner Macht-Konzepte, weil er selbst die meisten Ideen modernen Staats- und Wirtschaftshandelns nur importiert hat – aus Afrika. Afro-asiatisch, heißt es im Titel des Buches, weil auch das Reich der Phönizier zur Stützung der Argumentation dient. Aber waren die Phönizier „black“? Ganz konsistent ist auch dieses aufwändige Geschichtsmodell nicht – und fällt wohl auch eher unter „Ideologie“. Ein Gegen-Rassismus, der auch das Diskriminieren von hunderten Jahren nicht abstreifen kann.

Miriam Makeba bekam in den 1960er Jahren massive Probleme, zum Beispiel das Weiße in den USA zum Boykott ihrer Auftritte aufgerufen wurden (Fädenzieher: unter anderem der Ku-Klux-Klan), nachdem sie 1968 Stokely Carmichael, einen wichtigen Aktivisten des Black Power Movement heiratete.

Sie reiste schließlich (1970?/ Quellenlage unsicher) entnervt aus.

Panafrikanismus speiste sich überwiegend aus den Beschlüssen der Pan-Afrikanischen Kongresse und den Aktivitäten ihrer Delegierten.  Panafrikanismus ist zudem eine Geisteshaltung, die sich in kulturellen Werken immer wieder ausdrückt. Sie ist abzugrenzen von „Positivem Rassismus“, da sie auf die Wiederherstellung einer Gleichheit abzielt, die es in der Welt wohl niemals gab – denn Sklaverei gab es meistens. Aber Gleichwertigkeit, die man dennoch gedanklich annehmen sollte. Hierzu empfehle ich das Buch „Selbstbewusst“ des US-Psychologen Rudolf Dreikurs. Es erschien 1972 unter dem Originaltitel „Social Equality“. Soziale Gleichwertigkeit trifft es übersetz besser als Soziale Gleichheit – denn geschichtlich sind wir nie alle gleich. Aber gleichwertig können alle Menschen trotzdem sein, so das Postulat.

Auch abzugrenzen ist Panafrikanismus von der Bewegung der „Négritude“, die sowohl eine politisch motivierte Strömung als auch in erster Linie eine gesellschaftliche Wiederspiegelung plus Verstärkung der pan-afrikanischen Gedanken ist. Ein wichtiger Vertreter beider Ebenen: der ehemalige Präsident Senegals, Leopold Sedar Senghor (lebt nicht mehr). Panafrikanismus sagt im Grunde aus: Auf der ganzen Welt leben Menschen, deren Wurzeln durch Verwandtschaft, Migration oder vorübergehendes, politisches Exil (wie im Falle Miriam Makebas, die 1960 ihre Heimat verlassen musste) in Afrika liegen. Négritude sagt noch etwas anderes: Schwarz zu sein ist etwas Besonderes, das einen dazu privilegiert sich als Schwarzer ausdrücken zu können. Was heißt das wohl im Umkehrschluss?

In Bayern arbeitet derzeit der „Arbeitskreis Panafrikanismus e.V.“ am Bewusstsein für das wichtige historische Phänomen des Panafrikanismus.

 

-          Problematisierung -

Ich habe Panafrikanismus in erster Linie als politische Bewegung definiert, in zweiter als Geisteshaltung und kulturelle Bewegung. Näher bin ich nicht darauf eingegangen, was Panafrikanismus nun genau ist. Andere Definitionen sind durchaus möglich und manche besser als meine. Ich gehe aber bewusst nicht darauf ein.

Ich könnte auch nicht als Nicht-Sozialdemokrat sinnvoll Sozialdemokratie definieren. Hierzu fehlt mir die aktive Beteiligung an dem, was den Aktivisten wichtig ist. Das einzuschätzen ergibt sich meist erst, wenn man selbst mitmacht. Als Ethno- und Soziologe kann ich aber eines definieren: Solche Bewegungen sind meist nicht einheitlich und bilden sich aus mehreren Strömungen. Und entsprechend würde ich den Begriff Panafrikanismus zunageln, wenn ich ihn jetzt genau definiere. Es gibt aktuellen Panafrikanismus und von daher ändert sich mit den nächsten Beschlüssen eventuell, wie er zu definieren ist. Darüber hinaus definiert das eine anti-kapitalistische Panafrikanerin wieder anders als ein liberaler Panafrikaner. Nehmt es also bitte nicht zu genau mit den Feinheiten einer Definition. Ist Obama Panafrikaner? Das wäre eine zeitgemäße Frage.

Auf Grundlage meiner Definition hier eine Skizze von der Idee des Ganzen:

Alle diese Menschen, deren Wurzeln durch Verwandtschaft, Migration oder Exil in Afrika liegen bilden eine „pan“- (das heißt: zusammengehörige) afrikanische Welt. Einen imaginären Kontinent. Da es sich zahlenmäßig relevant vor allem um Nord- und Südamerika, Karibik, Europa und Afrika handelt, ließe sich vereinfacht vom „Black Atlantic“ sprechen, da die betroffenen Kontinente jeweils am Atlantik liegen, und die meisten aus Afrika „stammenden“ Menschen schwarzer Hautfarbe sind. Was natürlich Blödsinn ist, denn 1. tunesische Migranten in Frankreich fallen nicht durch ihr Schwarz-Sein auf, sondern durch „Hellbraun“-Sein, 2. man kann sehr wohl als Weißer in Afrika aufgewachsen sein und mit Schwarzen sympathisieren, was auch in Südafrika, Simbabwe oder Kenia die ein oder anderen Weißen in den 1950er oder 1960er Jahren sicherlich taten), 3. man kann weiß sein, aber nach Afrika einwandern und nach einiger Zeit der Integration dort auch aus Afrika „stammen“, wofür der in Deutschland geborene Fotograf Jürgen Schadeberg ein spannendes Beispiel (auch aus dem Leben Miriam Makebas) ist, 4. der Musiker Salif Keita und auch manch andere Person in Afrika „leidet“ an Albinismus, hat trotz genetischer Informationen über schwarze Hautpigmente eine helle Haut und man wird deswegen teilweise innerhalb schwarzer Bevölkerungsteile diskriminiert, wenn man mal nicht so prominent wie Salif Keita ist und als „Albino“ in Afrika zur Schule geht.

Trotz des wackligen Konzepts des Panafrikanismus hat er für viel Brodeln in der Geschichte, eventuell sogar für das Entstehen von Staaten gesorgt, Menschenrechtsorganisationen gute Arbeitsgrundlagen, vor allem breite Akzeptanz für ihre Arbeit, gelegt.

Der „Black Atlantic“ hat in jedem Fall gemeinsame Interessen. Raus aus der Unterordnung, das heißt auf heute bezogen, raus aus den Stadträndern, die einen von den Weißen räumlich trennen, das heißt keine Segregation

Aus der Welt der Komponisten sind Miriam Makeba, Hugh Masekela, Sly Stone (Sly And The Family Stone), Billy Paul, Bob Marley, Fela Kuti, Bill Withers, Mike Jones (Texter der Gruppe Latin Quarter), Paul Simon, Joseph Shabalala (von der Gruppe Ladysmith Black Mambazo), Carlinhos Brown und Erykah Badu wichtige VorkämpferInnen des Panafrikanismus und seien hier beispielhaft genannt. Chronologisch vor allen anderen sollte Harry Belafonte stehen. Ich nenne ihn aber erst jetzt, um den anderen nicht die Schau zu stehlen ;-)

Im Einzelnen Infos zu den jeweiligen Personen weiter unten.

Der Münchner Verein „Arbeitskreis Panafrikanismus e.V.“ befasst sich mit der historischen und kulturellen Aufarbeitung des Phänomens. Zu diesem Zweck veranstaltet er Kongresse, die auch wiederum fast so heißen wie die politischen Treffen, nämlich „Panafrikanismus Kongress“. (http://www.panafrikanismusforum.net/)

Wendet euch an diesen Verein, wenn ihr Aktuelles zum Thema wissen möchtet.

 

Weitere Quellen zum Thema:

http://www.zeit.de/1969/12/panafrikanismus-ein-traum

Imanuel Geiss (1968, Habilitationsschrift), Panafrikanismus. Zur Geschichte der Dekolonisation, Frankfurt am Main

Ariane Kösler (2010, Promotionsschrift), Die Entwicklung der Southern African Development Community (SADC) als Building Block der panafrikanischen Einheit: Die Herausforderung der doppelten Integration und wichtige Einflussfaktoren, Hamburg

http://de.wikipedia.org/wiki/Panafrikanismus (Dieser Artikel bedarf laut Wikipedia Diskussionsseite einer Überarbeitung.)

Die Liste wird demnächst auf yeke.radio-z.net um die Themen Panafrikanismus und das Medien-Phänomen Barack Obama sowie Entwicklungen in der Unabhängigkeitswerdung Kenias ergänzt.

-          Musik           -

1.    Miriam Makeba: Der Song „African convention“ spiegelt eine Idee des Panafrikanismus: „THE AFRICAN CONVENTION WILL TAKE PLACE TO THE NATIONS.“ Afrika ist nicht nur ein Kontinent, es bedarf auch einer Art Afrikanischen Union. Dass diese bis heute nicht so sonderlich viel Beißkraft hat, ist zwar schade – aber umso erstaunlicher, als es doch so gute Songs wie diesen hier zum Thema gibt. Komponist ist der Trompeter Hugh Masekela. Mit ihm war Miriam Makeba kurzzeitig verheiratet. Während dieser Zeit sahen sie sich laut Masekela fast nie, da sie dauernd beide verreist gewesen seien.

Weitere wichtige Songs sind „NDUBE (THE LION SLEEPS)“. Mit diesem Song trat sie 1964 zur Geburtstagsfeier von John F. Kennedy auf. Neben dieser Version gibt es zahlreiche weitere Interpretationen des Songs. Makeba scheint unterschwellig mit ihrem Auftritt darauf hinaus gewollt zu haben, dass es in Südafrika die Apartheid gab, scharfe Gesetze zur Rassentrennung, während die Lage in Kennedys USA nicht weniger schlimm war, eventuell sogar noch krasser, wenn man bedenkt, wie erste Unruhen schwarzer Studenten an US-Unis abgewehrt wurden. „Ndube“ ist eines der bekanntesten Lieder Südafrikas, und war in den USA bereits ein Hit unter dem Namen „The lion sleeps tonight“ von den Tokens, lange bevor Makeba für Kennedy damit auftrat. Sie konnte also davon ausgehen, dass der Präsident und auch alle Gäste das Lied kannten, ebenso jeder, der im Fernsehen die Nachrichten sah, wo über ihren Auftritt groß berichtet wurde.

Zu erwähnen sind auch die Songs „Malcolm X“ aus der Feder ihrer Tochter Bongi Makeba und „Lumumba“ über den erschossenen Präsidenten des Kongo, Patrice Lumumba. Diese Stücke erschienen in den `70er Jahren. „Lumumba“ ist auf der LP „Keep me in mind“ von 1970 drauf. Der Titel der Platte sagt in etwa, ey, Leute in Amerika, vergesst mich nicht. Makeba ging danach nach Guinea.

2.    Hugh Masekela siehe oben à Miriam Makeba.

3.    Sly and the Family Stone veröffentlichten 1970/1 unter anderem “Africa`s talking to you” auf ihrer damaligen LP. Sie verknüpften die Geschehnisse in den USA, die landesweit bekannt waren, zum Beispiel die „Riots“ in der New Yorker Bronx oder das Niederbrennen von Stadtteilen Detroits, direkt mit Afrika als Ursprung der sich entfaltenden Wut. Subtile Botschaft der Scheibe: Hey, wenn ihr in der US-Oberschicht ein Problem mit den Afroamerikanern habt, schaut mal, die haben eigentlich ein ureigenes Land, sie kommen aus Afrika, dort gibt es über 50 Länder, dort gibt es große Städte mit Straßen, wo man sich drüber unterhält, was hier in den USA geschieht, diese Länder in Afrika werden wieder frei von ihren Sklaventreibern, aber ihr, ihr die US-Oberschicht habt unsere Urgroßeltern doch hierher geholt, nach Amerika, also bitte, dann behandelt uns auch mit Respekt, denn wir kämpfen uns jetzt auch von euch frei. Hier, auf unserem „Asphalt jungle“, „There`s a riot goin` on“.

„There`s a riot goin` on“ ist einer der letzten Herzschläge des Soul, übrigens von Sony veröffentlicht, bevor der Rap geboren wurde und dem Soul die politische Lyrik absaugte. Sly Stone sagt übrigens kaum etwas explizit oder implizit aus, wie ich es im vorigen Absatz geschrieben habe. Aber die düster-fröhliche Kipp-Stimmung des Albums, die harten Riffs der Wah-Wah-Gitarren und gezieltes Übersteuern bei der Aufnahme der Gesangsspuren sagt irgendwie: Hier stimmt was nicht. Und schaut man auf die Songtitel, dann weiß man auch, was. Albumtitel: „There`s a riot goin` on“

Bands wie Tower of Power bauten ihre Texte wesentlich weiter aus, und rappten den weißen Kapitalismus in Grund und Boden. Passenderweise ging es in den `80er Jahren mit der US-Wirtschaft abwärts, während die Rapper Oberwasser bekamen. Auch zu erwähnen ist Afrika Bambataa, der ab Ende der `70er in Erscheinung tritt, und mit Afrika vor allem den Namen gemeinsam hat.

 Auch der nigerianische Zahnmedizin-Student Dr. Alban bezog sich 1990-1994 während seiner Ausbildung in Schweden auf Afrika, was ging. „Hello Africa“, „Born in Africa“ – solche Songs haben höchst oberflächlich auch bissl mit Panafrikanismus zu tun. Vor allem nachdem Dr. Alban eine Praxis in Schweden eröffnete und zu singen aufhörte. Jetzt sagen seine Songs nämlich: Ich komme aus Afrika. Aber ich funktioniere innerhalb einer weißen gehobenen Mittelschicht. Denn ich habe mir mein Studium mit dem Darüber-Rappen, dass ich aus Afrika stamme, verdient. Die Leute wollten das in den Diskos hören und haben dafür bezahlt. In der BRD war Dr. Alban Kult und kommerziell ein Star. Er rappte auch „No coke“ und lief sogar konform mit Drogen-Aufklärungskampagnen der Kohl-Regierung, und Adressat dieser Kampagnen waren durchaus auch weiße deutsche Mittelschicht-Kids, die irgendwie an Drogen kamen. Aber Urheber des Verwendens des Wortes „Afrika“, um außerhalb Afrikas an diesen Kontinent zu erinnern, war in der Popwelt wohl Sly Stone.

4.    Billy Paul. Hier mache ich es kurz: Die Songtitel: „Brown Baby“, „Am I black enough for you?“, „Only the strong survive“, „War of the gods”, “We all got a mission”, “Bring the family back”, “People power”, bis hin zu “Funky bebop”, was eine Verbindung vom Einfluss des Jazz auf die in den `70ern weltweit aktuelle R&B-Musik (Afrofunk!) offenlegen sollte. „Ebony woman“ über die Liebe eines Schwarzen zu einer weißen Frau. Sowie „African holiday“. Wobei es hier nicht primär um Urlaub in Afrika geht, wie der Herausgeber des Samplers „Serengeti Lounge, Vol. 1“ sich vermutlich dachte. Nö. „Holiday“ heißt Feiertag im US-Amerikanischen, oder? Und was gab es damals wohl in Afrika zu feiern?

Dass die mit ihrer Unabhängigkeitsbewegung weiter kamen, als die AfroamerikanerInnen mit ihrer Gleichstellungsbewegung. Und warum sollte ein Urenkel einer Afrikanerin wie Billy Paul einfach so in Afrika „Lounge“-Urlaub machen? Wäre das kleine Liedl nur romantisch, dann hieße es wohl „Holiday in Paris“ oder so ähnlich. Also: Hört euch Billy Paul nie an, ohne auf die Texte zu achten! Es lohnt sich.

5.    Bob Marley. Wie oben im Text erwähnt, engagierte er sich explizit für die Ziele der Panafrikanismus-Bewegung und hinterfragte das gesamte Eigentums-System. Das große Teile unseres Planeten seit Jahrhunderten prägt. Seine Musik sagt darüber wenig aus. Aber das waren eben seine Meinungen abseits der Musik. Musiker sind ja manchmal auch einfach so als Denker oder Hobbyphilosophen unterwegs.

6.    Fela Kuti. Prägte eine Soundfarbe des `70er-Jahre-Funk entscheidend mit. Zusammen mit Tony Allen. Während zum Beispiel Nile Rodgers in den USA auf gesampelte Synthesizer-Geigenklang-Imitate setzte, ging es bei Kuti und Allen akustisch zur Sache. Mit den Klangmitteln einer Marching Band, Blechbläsern und Trommeln, machten sie anti-militärische Musik, und Fela Kuti griff in den Texten die Polizei und die Staatsgewalt des militärisch regierten Lagos, der Hauptstadt Nigerias an.

Hier war der Kampf um die Unabhängigkeit von weißen Kolonialherren gekippt. Jetzt gab es schwarze Kolonialherren im eigenen Land, und der Kampf dagegen begann aufs Neue. Mit dabei auch beispielsweise Segun Bucknor: „Sorrow sorrow sorrow“, „You killing me“, „Who say I tire“. Und er fasste die Misere auch so zusammen, wie sie bis heute aktuell ist: Der politische Kampf für Gleichwertigkeit bringt nix. Denn „Poor man no get brother“. Eigentlich hilft da nur noch, Korruption scharf zu bekämpfen, nachhaltig auszuhebeln und danach die Millionäre krass zu besteuern. Aber: Das ist bis heute eher weniger aktuell.

Fela Kutis präzises Klang-Drama über die Wasserversorgung von Lagos Außenbezirken macht deutlich, dass ein Wahlrecht und Demokratie alleine gar nichts bringen – „WATER NO GET ENEMY“. Heute, etwa vier Jahrzehnte danach, kann man in Nigeria halbwegs frei wählen, aber das Trinkwasser ist noch nicht mal halbwegs für die meisten sauber oder verfügbar. Wo gehen die Milliarden aus den Schmiergeschäften um Erdöl-Bohrungs-Lizenzen eigentlich hin?

7.    Bill Withers ist schwarz, er singt wie man es von schwarzen Soul-Sängern Anfang der `70er gewohnt war, aber er hat stets rauschend viele weiße Fans gehabt. Seine Themen sind universell, seine Texte gelten für alle Menschen, glaube ich. Und das ist in der Kunst seltener, als man aus dem Bauch heraus meinen sollte.

Zudem sind seine Texte dadurch, dass sie so universell sind, zeitlos. Bill Withers zeigt, dass auch nicht-politische Aktivität in einem Lebensbereich, von dem man etwas versteht - in seinem Fall Harmonielehre, Lyrik und das Verknüpfen von Texten und Komponieren – zu einem Statement werden kann, das sich ins Unterbewusstsein gräbt. Bill Withers Musik spricht Hörerkreise von Schunkel-Pop-Dudelfunk-Publikum über bewusste Songwriting-HörerInnen, von Discogängern bis Jazzkonzert-Liebhabern und somit auch viele Bildungsschichten an. Menschen, egal ob sie viel oder wenig Musik hören, kennen seine Songs. Wer mindestens fünf Minuten Radio am Tag hört, und heute mindestens 25 Jahre alt ist, kennt entweder „Ain`t no sunshine“, „Lovely day“ oder „Just the 2 of us“. Und das gilt sicher für Nordamerika und Europa, aber auch fürs englischsprachige Afrika.

„Black Atlantic“? Genauso wie selbst sehr einwanderungskritische Menschen in der BRD keine Döner missen wollen, so kann sich kaum ein allgemeiner Pop-Radiosender Nordamerikas oder Europas leisten, Musik von Bill Withers nicht zu spielen. Und schon spielen sie afrikanisch-amerikanische Musik – ist das nicht auch ein bisschen unfreiwilliger Panafrikanismus? Und selbst die, die nur die besten Hits der `90er, `00er und von heute dudeln, spielen pro Tag sicher mindestens ein Lied, in dem irgendwer Bill Withers sampelt oder covert. Blackstreet, Kanye West & Co. samplen ihm seine Rente zusammen. Ein schönes Beispiel von panafrikanischer Allgegenwart.

8.    Mike Jones [Latin Quarter]

9.    Paul Simon

10.  Joseph Shabalala [Ladysmith Black Mambazo]

11.  Carlinhos Brown

12.  Erykah Badu

13.  Harry Belafonte

14.  Die Liste wird von 8.-13. noch ergänzt, und sie ließe sich fortsetzen. Beispiel: Jorge Menezes, Komponist des Songs „Mas que nada“, laut Miriam Makeba „A real African man in Brazil“ und noch ein paar andere.

Autor: Philipp Kause [Yeke Yeke; Pangäa; Cidades de Deus; Musik Spezial]

 

 

 

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